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Harald Bolten / UWW 1.02

Regelmäßig bekomme ich Anfragen zu Schiffswracks in der ganzen Welt, schließlich umfasst meine Wrackdatenbank mittlerweile über 55.000 Eintragungen über Schiffswracks. Doch diese Anfrage ist höchst ungewöhnlich und interessant: John Cobb vom Londoner Tauchclub Ruislip & Northwood BSAC fragt: "Ich suche nach Informationen zur GRAF ZEPPELIN, dem einzigen Flugzeugträger, den Nazi-Deutschland baute. Er wurde 1939 vom Stapel gelassen, aber niemals fertiggestellt. Er wurde zu einem schwimmenden Wrack in der Odermündung und wurde versenkt, als die Russen 1945 in Deutschland einmarschierten. Das Schiff wurde gehoben und dann 1947 in Richtung Leningrad geschleppt. Es war allerdings mit Kriegsbeute so überladen, dass es bald zwischen Rügen und Swinoujscie in Polen kenterte. Ich habe gehört, dass das Schiff möglicherweise für Schiessübungen verwendet wurde, aber ich habe keine Angaben zur Position. Jegliche Informationen wären willkommen. Ich repräsentiere den Ruislip & Northwood BSAC Tauchclub in Nordwest-London und wir forschen nach einem Ziel für unsere nächste Tauchexpedition".

Ich war wie elektrisiert. Wäre es möglich, dass das Wrack eines Flugzeugträgers in der Ostsee liegt? Das wäre eine Sensation, denn es gibt bislang nur ein betauchbares Wrack eines Flugzeugträgers in der ganzen Welt: die amerikanische Saratoga, die 1946 bei Atombombenversuchen im Bikini-Atoll im Pazifik versank.

Also fing ich an mit einer umfangreichen Recherche und stellte fest, dass das Schicksal des Flugzeugträgers GRAF ZEPPELIN sehr geheimnisumwoben ist. Alle Quellen stimmen in folgendem überein:

Die Kiellegung für den Flugzeugträger GRAF ZEPPELIN erfolgte 1936 bei dem Werftbetrieb Deutsche Werke Kiel A.G.. Das Schiff lief 1938 vom Stapel, nachdem es durch die Tochter von Graf Zeppelin getauft worden war. Die Daten des Schiffes waren:

Antrieb: Turbinen mit 200.000 WPS Leistung
Geschwindigkeit: 33,8 Knoten
Länge: 262,5 m
Breite: 36,2 m
Tiefgang: 8,5 m
Wasserdrängung: 33.550 Tonnen
Vorgesehene Bewaffnung: 16x 15cm-Geschütze, 12x 10,5cm-Flak, 22x 3,7cm-Flak, 28x 2cm-Flak, 42 Flugzeuge der verschiedensten Typen

Die Fertigstellung der GRAF ZEPPELIN verzögerte sich durch mangelnde Werftkapazitäten und schließlich wurde 1940 ein Baustopp verfügt. Das Schiff wurde nach Gotenhafen, Stettin und dann wieder nach Gotenhafen geschleppt um britischen Luftangriffen zu entgehen. 1942 erfolgte der Befehl Hitlers, den Flugzeugträger bis 1943 fertig zu stellen. Allerdings wurde 1943 wieder ein Baustopp verfügt, da Hitler alle großen Kampfeinheiten der Marine außer Dienst stellen ließ. Die GRAF ZEPPELIN wurde nun nach Stettin geschleppt und in einem Arm der Oder verankert. Dort wurde sie 1945 kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee geflutet und gesprengt.

Danach gibt es verschiedene widersprüchliche Berichte, was mit der GRAF ZEPPELIN geschah:

Story 1:

Russische Bergungsspezialisten machten das Schiff im Jahre 1946 wieder schwimmfähig und das Schiff wurde nach Swinemünde geschleppt, wo es ab Februar 1947 unter der Bezeichnung PB-10 von Spezialisten der Russischen Kriegsmarine hinsichtlich der Konstruktion untersucht wurde. Nachdem die Studien abgeschlossen waren, wurde "GRAF ZEPPELIN" zur Versenkung als Zielschiff bestimmt. Am 18.06.1947 ist er dann auf der geographischen Position

von 55° 48°/ 18° 30´0 durch Torpedos von Torpedoschnellbooten und des Zerstörers "Grozyashchiy" versenkt worden (nach Lemachko, Deutsche Schiffe unter dem Roten Stern, "Marine-Arsenal" Sonderband 4. S.7.)

Story 2:

Die GRAF ZEPPELIN wurde nach der Hebung 1946 mit Kriegsbeute beladen und zur Sowjetunion geschleppt, wo sie anschließend als Torpedoziel verwendet wurde.

Story 3:

Die GRAF ZEPPELIN wurde nach der Hebung im August 1947 mit Kriegsbeute beladen und in Richtung Sowjetunion geschleppt, lief aber am 15. August 1947 15 Meilen von Rügen entfernt auf eine Mine und sank.

Story 4:

Die herangerückten Russen hoben den Träger und verlegten ihn 1947 nach Swinemünde wo er mit Kriegsbeute beladen wurde. Auf der anschließenden Überführung nach Leningrad wurde das Schiff durch Minentreffer so stark beschädigt, dass eine Fertigstellung nicht mehr in Betracht kam. So wurde GRAF ZEPPELIN in den Jahren 1948/49 in Leningrad abgewrackt.

Story 5:

Die GRAF ZEPPELIN wurde am 25 August 1947 nach Leningrad geschleppt, in ðâ-101 umbenannt und als schwimmende Basis verwendet. Am 16. August 1948 wurde sie vor Swinemünde als Zielschiff verankert und mit Bomben im Rumpf, Lufttorpedos und Bomben aus der Luft versenkt.

Story 6:

Auf dem Weg nach Russland kenterte die GRAF ZEPPELIN 1947 im Golf von Finnland und wurde 1948/49 in Leningrad verschrottet.

Story 7:

Die GRAF ZEPPELIN wurde 1946 nach Leningrad geschleppt und dort 1948/49 von Zerstörertorpedos zum Sinken gebracht.

Es gibt noch weitere Storys, die geringfügig variieren. Welche Story stimmt? Ich weiß es nicht. Die genannten Positionen beziehen sich auf drei unterschiedliche Bereiche der Ostsee: in der Nähe von Rügen/Swinemünde, vor der polnischen Küste bei Gdyna sowie im Finnischen Golf vor Leningrad.

Meine Vermutung ist folgende: Die GRAF ZEPPELIN wurde mit Kriegsbeute beladen nach Leningrad geschleppt, unterwegs von Minen beschädigt, in Leningrad ausgeschlachtet und anschließend im Finnischen Golf als Zielschiff versenkt. Einige Indizien aus den verschiedenen Geschichten deuten auf diese Version hin. Das würde bedeuten, dass es das Wrack eines deutschen Flugzeugträgers in der Ostsee gibt! Wer wird wohl als erster das Wrack finden und betauchen?

Nachgefragt bei Harald Bolten

UWW :
Unsere Recherchen zeigten uns erstaunlich viele seriöse Seiten, die sich des einzigen deutschen Flugzeugträgers annehmen - bis hin zu einem Modellbauer, der das Schiff nachbildete bzw. als Bausatz anbietet.
Wie schätzen Sie denn die Sachelage ein, wird der Ort, an dem sich das Schiff auf dem Grund der Ostsee befinden könnte je sicher gefunden und wie ist die Möglichkeit für eventuelle Tauchgänge dort generell zu beurteilen?

Harald Bolten: Ich denke schon, dass man die Graf Zeppelin finden kann. Wenn es bei Wracktauchern publik wird, dass ein Flugzeugträgerwrack in der Ostsee zu finden ist, wird eventuell der eine oder andere danach suchen. Möglicherweise hat auch jemand weitere Informationen beizusteuern.
Die angegebenen Versenkungsgebiete haben alle Tiefen, die zumindest für Tech-Diver erreichbar sind (weniger als 80 Meter) und ein so großes Wrack sollte auf dem flachen Ostseegrund mit heutigen Echoloten / Sonar relativ einfach zu finden sein. Ich habe übrigens aktuell noch eine russische Quelle gefunden, die sehr detailliert die Versenkung beschreibt, was mich noch mehr in dem Glauben bestärkt, dass das Schiff noch irgendwo auf dem Grund liegt.

Websites zum Thema

Deutsches Marinearchiv: www.deutsches-marinearchiv.de 
Deutsche Kriegsschiffe: www.deutsche-kriegsschiffe.de 
Seekrieg: www.seekrieg.de 

27.7.2006: Graf Zeppelin gefunden - Meldungen bestätigt

Am 25. Juli 2006 haben nun wohl alle Vermutungen und Planspiele ein Ende gefunden, das Wrack der nie in Dienst gestellten Graf Zeppelin, dem legendären deutschen Flugzeugträger, wurde bei der Suche nach Ölfeldern in der Ostsee entdeckt und nach Tauchgängen in Tiefen bis 80 Meter zweifelsfrei identifiziert.
Experten der polnischen Marine nahmen die Untersuchungen vor Ort vor und bestätigten am 26. Juli 2006 die ersten Agenturmeldungen.
Die Wrack – Fundstelle liegt etwa 30 Seemeilen nördlich vor Wladyslawowo (Ellerwald).
Die erfolgreiche Ortung der Graf Zeppelin wurde von der Mannschaft der "Arctowski" gemeldet, die bereits zwei Jahre zuvor das Wrack des Flüchtlingsschiffs „Steuben“  in der Ostsee entdeckt hatte.
Das einstige Prestigeobjekt der deutschen Marine war 1947 versenkt worden, unklar ist noch bis heute, ob der nicht voll ausgerüstete Rumpf mit Aufbauten versenkt wurde oder auf eine Mine getrieben war. Nach Kriegsende war die Graf Zeppelin von den Sowjets in Besitz genommen worden.