by Michael Goldschmidt 2.06
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Fakten |
Spricht man über Trockentauchanzüge, werden immer wieder die selben Markennamen genannt. Die Lager der Anwender sind gespalten, die einen schwören auf
Neopren, die anderen auf Trilaminat. Warm und bequem sollen sie sein, das ist der primäre Anspruch, und bezahlbar. Ein wenig im Schatten der großen Labels hat sich ein Produkt „Made in Germany“ entwickelt, das vom
Berufstaucher Uli Schreiber aus Duisburg den Markennamen „GNT“ ® bekam. UnterWasserWelt testete den Anzug im Winter, in eiskalten bayerischen Seen, und wurde beeindruckt.
Gerade Fotografen
und Filmer schätzen die Bewegungsfreiheit von halbtrockenen Anzügen, was sie oft bei einer Kaufentscheidung für einen Trocki Zurückhaltung üben lässt. Auch die Damen haben ihr Problem, meist ist es eine (be-)drückende
Halsmanschette, was sie vom Trockentauchen abhält. Die großen Hersteller sind durchaus bemüht den Einsatz von Trockis so bequem wie möglich zu machen, doch ein wenig dreht sich das Produktkarussell im Kreis. Die einen
Anbieter verwenden beidseitig kaschiertes Neopren, in normaler Schäumung oder verdichtet als „Crushed“ – Material, die anderen schneidern Anzüge aus nicht komprimierbarem Trilaminat. Je nach Wassertemperatur
kann beim Neoprentrocki Funktionsunterwäsche als weitere Kälteisolierung genügen, die Trilaminatanzüge fordern zusätzlich immer entsprechende Unterzieher. Um an Hals und Armen möglichst viel Komfort zu bieten, haben
mittlerweile die meisten Anzüge Latexmanschetten, die vom Taucher auf die individuelle Größe selbst angepasst werden – mit der Schere. Doch Latex ist - was viele nicht wissen – lichtempfindlich und
besonders Neonlicht entzieht auf Dauer die Weichmacher, die Manschetten werden brüchig oder bekommen Risse. Da hilft auch die ohnehin notwendige Pflege mit Talkumpuder nicht weiter.
Weil der Berufstaucher Uli
Schreiber, der 1964 sein Unternehmen gründete, mit dem, was der damalige Markt an Anzügen anbot, nicht zufrieden war, schneiderte er bereits früh die Anzüge für sich und seine Mitarbeiter selbst. Beste, hautenge
Passform und größte Bewegungsfreiheit standen dabei im Mittelpunkt um auch lange Tauchgänge, in deren Verlauf meist Reparaturen an Schiffsschrauben durchgeführt wurden, so angenehm wie möglich zu gestalten. Mit der
Verfügbarkeit der ersten gasdichten Reißverschlüsse gegen Ende der 60er Jahre, war der Weg geebnet um in eigener Fertigung Trockentauchanzüge herzustellen. So kann man dem Unternehmen 30 Jahre praktischer Erfahrung
bestätigen, das aus den Einsätzen in der Berufstaucherei und der Anzugfertigung stammt. Und das ist schon etwas Besonderes. Seit einigen Jahren haben nun auch Sporttaucher die Möglichkeit mit dem GNT – Anzug
(Glatthaut-Neopren) ihre Tauchgänge besonders komfortabel zu gestalten.
Schon äußerlich ist der GNT – Trocki ein eigenständiges Produkt. Arme und Oberkörper sind silbergrau. Die Körperseiten, der Rumpf und
die Beine zeigen sich in schwarz. Sofort fällt auf, dass die Außenseite nicht kaschiert ist, Glatthaut – Neopren mit 7 mm Materialstärke wird hier verwendet, was dem Anzug schließlich den Namen gab. Zugegeben,
äußere Kaschierungen machen die Oberfläche robuster. Die Jahrzehnte lange Erfahrung von Uli Schreiber zeigt aber auch, dass im Verhältnis zu kaschierten Oberflächen keine auffällige Empfindlichkeit festgestellt werden
konnte – wohl gemerkt sind es Erfahrungen aus der Berufstaucherei, die Materialien stärker und häufiger belastet als der Sporttaucheinsatz. Sollte eine Reparatur notwendig sein, so kann diese jeder selbst mit
handelsüblichen Klebstoffen erledigen. So einfach machen es einem die kaschierten Materialien nicht.
Nimmt man den GNT in die Hand fallen zwei weitere Merkmale auf: Das Gewicht und die bemerkenswerte Flexibilität des
Materials. Das Fehlen einer äußeren Kaschierung bedeutet eine spürbare Gewichtsreduzierung. Durch die Wahl eines besonders fein geschäumten Neopren und eben wieder den Verzicht auf die äußere Kaschierung ist das
Anzugmaterial einzigartig weich und verspricht besonders angenehmen Tragekomfort.
Eine besondere Schnittführung unter den Armen lässt auf eine Naht verzichten, was sich auf die Beweglichkeit positiv auswirkt.
Die
Manschetten sind aus sehr weichem, 4 mm starken Neopren gefertigt, deren Außenseiten eine Glatthaut – Oberfläche haben.
Die silbergraue Beschichtung aus Titan an Armen und Oberkörper macht den GNT im Design
unverwechselbar, hat aber weit mehr Bedeutung. Die Titanschicht schirmt den Taucher an Land vor unangenehmer Erwärmung durch die Sonne ab, ein großer Pluspunkt also, den jeder nachempfinden kann, der an warmen Tagen in
unseren Seen taucht.
Innen ist der Anzug mit einer hellen Nylonjersey – Kaschierung belegt, die auch eine mechanische Stabilisierung bewirkt. Sie wird auf der Haut angenehm empfunden und lässt den GNT rasch an-
und ausziehen. Die Nähte sind innen mit einem Textilband hinterlegt. Richtig müsste es heißen die „Schnittstellen“, denn die Anzugteile sind ausschließlich verklebt. Das hat zwei Gründe, einmal verletzt jeder
Stich das Neoprenmaterial und schafft dort Schwachstellen, zum anderen beeinflussen Nähte die Flexibilität enorm, was der Gesamtphilosophie des Produkts widersprechen würde.
Die Ein- und Auslassventile sind
kompromisslos vom namhaften Tec – Hersteller Apeks bezogen.
Die Füßlinge entsprechen in ihrer Dimension denen, die im Tauchsport verwendet werden. Das bedeutet, dass man für das Tauchen mit dem GNT keine
Flossen mit übergroßem Fußteil kaufen muss.
Auch als Resultat seiner Erfahrungen verzichtet man beim GNT auf Verstärkungen an Ellbogen und Knien. So bleibt man auch an diesen Stellen äußerst beweglich, auf Wunsch
kann man eine Glatthautauflage an den Knien odern.
Kuschelhaube nennt Uli Schreiber die separate Kopfhaube, deren beidseitig aus Glatthaut gefertigte Gesichts- und Halsmanschette auffällt und die im Handling ein
wenig Rücksicht erfordert, damit die Manschetten nicht beschädigt werden. Doch das hat man sofort „im Blut“. Ein Ventil am Kopf verhindert Luftansammlungen. Ein weiteres besonderes Feature ist mit dem Tragen der
Tauchmaske verbunden, denn bei dieser Kopfhaube wird sie auf der Gesichtsmanschette getragen. Also gibt es kein Fummeln, um den Maskenrand unter der Haube zu platzieren.
Zurück zu den Wurzeln könnte man bei
den Dreifinger – Handschuhen sagen. Alte Hasen kennen diese Art von Handschuhen für den Kaltwassereinsatz noch gut, wenngleich der klassische Trockentaucher mit einem Handschuhsystem taucht, das mit Bajonettringen
befestigt wird.
Die GNT Handschuhe sind, außen natürlich aus Glatthaut. Ein schmales Glatthautbündchen dient als Dichtfläche auf den Armmanschetten. Auch für den Umgang mit diesen Handschuhen gibt es Tipps von Uli
Schreiber das An- und Anziehen betreffend. Hält man sich daran, gibt es keinen anderen Handschuh, der so schnell und komfortabel sitzt.
Praxis
Nach so
viel durchdachten Detaillösungen ist der erste Einsatz ein ganz besonderer Moment. Wie immer steht man zunächst vor der Frage, wie viel Blei mit einem neuen Trockentauchanzug aufgelegt werden muss. Nachdem das
Innenvolumen gering ist und die spezielle Funktionswäsche, ausgelegt für den Einsatz bei besonders tiefen Temperaturen, kaum aufträgt, sind es nur zwei Kilo mehr gegenüber dem Halbtrockenen mit 7mm Overall plus 7mm
Weste. Wie sich später zeigt, war diese Einschätzung richtig.
Das Anziehen macht Spaß, denn man merkt schon jetzt die neue Bewegungsfreiheit. Mit wenigen Handgriffen sitzt der Anzug, sind die Arme übergestreift und
der Kopf ohne „Geburtstrauma“ durch die Halsmanschette gesteckt. Was bei anderen Anzugsystemen aufgrund eingeschränkter Beweglichkeit schon zum Akt besonderer Leibesübung werden kann, erledigt man im GNT fast
nebenbei, die Halsmanschette passt man sich rundum selbst und ohne Hilfe an. Mit ein paar Handgriffen mehr sind die Armmanschetten umgelegt, es muss nur noch der von Schulter zu Schulter verlaufende Reißverschluss vom
Tauchpartner geschlossen werden.
Nach Anweisung des Herstellers wird nun die Kopfhaube übergezogen, sie sitzt mit einem Handgriff, ihre Halsmanschette liegt sauber auf der Manschette des Anzugs auf.
Das Anlegen
der Handschuhe mit Einbindung des Tauchpartners (es ginge auch alleine, aber warum auf diesen Komfort verzichten) klappt tadellos.
Trotz voller Ausrüstung und noch an Land ist die Beweglichkeit im GNT wirklich
beeindruckend und der Weg ans Ufer ist fast wie ein kleiner Spaziergang.
Nun muss sich nur noch das Handling der Maske bewähren, die auf der Gesichtsmanschette getragen werden soll. Die Maske andrücken und testen
stehen auf dem Programm und tatsächlich, die hält wie festgeklebt.
Die erste Zeit im 3°C kalten Wasser wird mit dem Test der Ein – und Auslassventile verbracht. Das Apeks – Auslassventil kann über einen
großen Bereich zwischen vollständiger manueller Bedienung und automatischem Ablass eingestellt werden. Als Fotograf etwa bevorzugt man den automatischen Ablass, der mit Heben des linken Arms oder Verlagerung des Körpers
derart, dass das Auslassventil der höchste Punkt am Anzug ist, anspricht. Für die persönliche Konfiguration vergehen da einige Minuten, in denen auch das Ansprechen des Einlassventils überprüft wird. Die eiskalte
Tarierluft trifft direkt auf den Körper, abgemildert durch die Funktionsunterwäsche. Vielleicht könnte eine kleine Klappe aus Neopren vor dem Lufteinlass den Komfort an dieser Stelle noch verbessern.
Der Tauchgang
dauert insgesamt 40 Minuten und führt in Tiefen bis 21 Meter. Die Tarierung mit dem Anzug klappt tadellos, auch durch die parallel produzierten Fotos des Buddys, der mit weiterem Testequipment ausgerüstet ist, belegbar.
Das Handling der Kameratasten mit den Dreifinger – Handschuhen, ist einwandfrei. Schon beim Tauchgang kann man erkennen, dass die Handschuhe dicht und trocken sind, in größerer Tiefe wird die eingeschlossene Luft
komprimiert, das Volumen nimmt etwas ab.
In der Kopfhaube sammelt sich dank des Ventils keine Luft, die Maske sitzt dicht auf der Gesichtsmanschette.
Und immer wieder kommt das positive Gefühl der neuen, großen
Freiheit, der für einen Trockentauchanzug einzigartigen Bewegungsfreiheit ins Bewusstsein.
Nach dem Tauchgang hat die Glatthaut – Oberfläche die Eigenschaft binnen kürzester Zeit zu trocknen, was einen
Wärmeverlust durch Verdunstung, wie er bei kaschierten Anzügen üblich ist, verhindert. Starker Wind am Tauchplatz hatte lediglich eine noch schnellere Trocknung zur Folge, was erstmals mit sich brachte, dass der Anzug
erst ausgezogen wurde, nachdem das ganze Equipment abgebaut und im Auto verstaut war. Fast müsste man es nicht mehr erwähnen, dass das Ausziehen ebenso rasch und angenehm abläuft wie das Anziehen.
Als letztes kam
der trockene (!) GNT in den Laderaum und als erstes an seinen Platz in der Basis.
Fazit
Erstaunlich, dass es so lange gedauert hatte um erste Erfahrungen mit
dem Anzug aus Duisburg zu machen. Noch erstaunlicher, dass er so viele Features aufweist, die ihn in vielerlei Hinsicht einzigartig machen. Die Weichheit des Materials, die Verarbeitung und die vielen Produktdetails
bestechen, auch die Damen. Made in Germany im besten Preis / Leistungsverhältnis.