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Künstliches Riff mit “Reefballs” in der Ostsee

by Joachim Warner 12.01

Die Reefballs sind ausgeschalt und warten auf den Kran

Die fertig aufgebauten formen

Detailaufnahme nach dem Ausschalen. Man sieht den großen Ballon, der dem Hohlkörper die Form gibt.

Detailaufnahme nach dem Ausschalen. Man sieht den großen Ballon, der dem Hohlkörper die Form gibt.

Detailaufnahme mit den eingehängten kleinen Ballons, die später die Löcher frei halten.

Wer in diesem Jahr auf der "BOOT" war hat sicherlich den löcherigen Betonkörper in der Nähe des Aktionsbeckens vor dem Stand von PADI gesehen. Das war ein sogenannter Reefball, eine Entwicklung amerikanischer Meeresbiologen. Diese Objekte schaffen in kurzer Zeit eine erhebliche Zunahme der Biomasse, weil sich auf und in ihnen vielfältige Lebensgemeinschaften aufbauen.

Die Website http://www.reefball.com  ist sehr informativ und zeigt nicht nur das Konzept, sondern stellt auch verschiedene weltweit bereits realisierte Projekte vor.

Der Tauchverein "Fördetaucher" ist ohnehin biologisch - dokumentarisch engagiert und fand das Konzept faszinierend - so etwas wollten sie auch bei sich in der Ostsee haben! Und ein Partner, der Mitglied bei PADI ist, war auch schnell gefunden - Olli Wolf vom Baltic Dive Center in Kiel sagte spontan seine Kooperation zu, seine Tauchschule ist auch nur 1000 Meter vom Riff entfernt.

Eigentlich erst mal gar kein Problem, denn die Stiftung "Project A.W.A.R.E" mit Sitz in der Schweiz hat einen kompletten Satz von Gussformen gekauft und trägt auch die Speditionskosten für Anlieferung und Abholung. Diese Stiftung werden viele Taucher kennen, denn sie ist u. a. im Hai- und Schildkrötenschutz tätig und sorgt für Ankerbojen an viel betauchten Riffen. Ihr Ziel ist weltweit mit unterschiedlichen Projekten der Schutz und die Erhaltung von marinen und limnischen Lebensräumen, also unseren Tauchgewässern. PADI Europe ist der Hauptsponsor dieser Stiftung, die gute und erfolgreiche Arbeit macht, deshalb ist es erwünscht, dass der Riffbauer entweder selbst ein PADI - Tauchcenter betreibt oder mit einem solchen kooperiert.

In einem bürokratisch durchorganisierten Land kann man natürlich nicht einfach mal eben 20 Reefballs von bis zu 1,3 m Höhe im Meer versenken, es gibt eine beachtliche Anzahl an Behörden, die ihr OK geben müssen, und nicht alle sind sofort überzeugt, dass so etwas der Umwelt nützt. Es kostete also vorab eine Menge Arbeit, Argumente und Papierkram, dann war alles klar (zusätzliche Kosten entstanden für die Genehmigungen und die Pacht eines Stückchen Meeresbodens).

Es war ein Bereich des Meeresbodens ausgesucht worden, der bislang nahezu tot war - eine sandig - schlammig ebene Fläche in 13 - 14 m Tiefe in der Kieler Außenförde. Für die laufende Beobachtung war es sehr wichtig, dass der Platz auch von Land aus leicht erreichbar ist. Benötigt wurde zusätzlich ein Bauplatz für die Riffkörper nahe am Wasser, eine gewisse Infrastruktur (Gabelstapler zum Abladen der Formen, ein Kran zum Hineinheben der fertigen Reefballs, ein Liegeplatz für das Schleppschiff) und ca. 5 Kubikmeter Beton mit geeigneter Rezeptur, der die Vereinskasse möglichst nicht belastet.

Mit viel Geduld wurden letztlich die Hürden genommen: Alle Behörden waren überzeugt, alle Genehmigungen erteilt, die Bundesmarine (Marineflieger-Geschwader 5 in

Kiel-Holtenau) ließ sich für das Projekt begeistern und stellte den Bauplatz direkt am Wasser und das notwendige technische Gerät zur Verfügung, die Firma Thomas-Beton spendete das Baumaterial.

Vom Zusammenbauen der Formen bis zum Abschluss des Projekts fiel eine Menge Arbeit an, aber letztlich machte es allen Beteiligten auch viel Spaß. A.W.A.R.E stellt auf der einen Seite ein Video und eine Bauanleitung zur Verfügung, aber dennoch waren immer wieder technische Kreativität und Werkzeuge wie z. B. ein Druckluftmeißel beim Ausschalen sowie Hebesäcke mit 500 kg  Hebevermögen (dankend angenommene leihweise Materialhilfe von POSEIDON Tauchprodukte) gefragt. Ferner bestand das Problem, dass vom Bauplatz bis zur Riffposition eine Schleppstrecke von 2 Seemeilen zurückzulegen war, und Reefballs sind nicht gerade strömungsoptimiert. Ein stabiles Schleppschiff mit ordentlicher Motorisierung ist da zweckmäßig, der Satz auf der Reefball - Homepage, dass jedes Boot zum Schleppen geeignet ist, dürfte nicht ganz zutreffend sein, nach den gemachten Erfahrungen dürften man einem Schlauchboot die erheblichen Kräfte beim Schleppen eines Bündels von 4 Reefballs nicht zumuten.

Aber es hat sich gelohnt: Bereits 10 Tage nach dem Auslegen, sind die ersten Lebewesen eingezogen (der Werbesatz "Beton ist Leben" stimmt), und man hofft, dass die Reefballs in wenigen Monaten dicht besiedelt sind und ihre Aufgabe im Ökosystem westliche Ostsee erfüllen. Die Website www.Ostsee-wracktauchen.de  wird um eine Reefball-Seite erweitert und fortlaufend aktuelle Fotos ins Netz gestellt.

Wer jetzt Lust bekommen hat, auch "vor seiner Haustür" ein derartiges Riff zu installieren, kann sich an die Mailadresse aware@padi.ch  wenden. Die Mitarbeiter dort, die die Stiftung A.W.A.R.E. betreuen, werden freundlich und kooperativ alle Anfragen bearbeiten.

Wer  Probleme mit den Behörden hat, um den Wert eines derartigen Riffes für die Umwelt zu erklären, kann sich an Joachim Warner - foerdetaucher@t-online.de - schreiben und wird hier Unterstützung finden.

Das Ziel der Fördetaucher ist zunächst, dass sich die Biologie am Riff ungestört entwickelt, zumal gerade in der Erstbesiedlungsphase auch Meeresbiologen der Kieler Uni dort Forschung betreiben. Deshalb werden hier noch keine genaue Ortsangabe und keine Peilung, wie das Riff von Land aus zu finden ist veröffentlicht. Das wird nachgeholt, sobald die sensible Phase vorbei ist.