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© UWW / Falk Wieland

by Falk Wieland 11.10

Japanisches Palais Dresden © UWW Falk Wieland

F.S.-Polarstern_Copyright-Dr-Armin-Rose

Tauchglocke Bathysphere Copyright Stefan Lange

U-Boot Mariana-10914 Copyright Sven Traenkner

U-Boot Mariana-1091 © UWW Falk Wieland4

Schwarzer Drachenfisch Malacosteus niger Copyright Sven Traenkner

Schwarzangler Melanocetus pelecanoides Copyright Sven Traenkner

Pottwal Physeter-macrocephalus Copyright Sven Traenkner

Langnasenchimaere Rhinochimaera-pacifica Copyright Sven Traenkner

Fangzahn Anoplogaster-cornuta Copyright Sven Traenkne

Fussballfisch Himantolophus-compressus Copyright Sven Traenkner

Ruderfußkrebs Pontostratiotes-sp Copyright Teure C Kihara Marco Buentzow

Pelikanaal Eurypharynx-pelecanoides Copyright Sven- raenkner.

Die TIEFSEE - Ausstellung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung wurde am 5. November in Dresden eröffnet. Falk Wieland besuchte die Eröffnungs-Pressekonferenz für UnterWasserWelt.

Im Zeichen des Schwarzanglers

Die Plakate mit dem Porträt des bizarren Schwarzanglers zieren Dresden und machen es unübersehbar: Die TIEFSEE - Ausstellung der Senckenberg Gesellschaft ist in der Stadt. Die außergewöhnliche Schau feierte bereits Erfolge in Basel, Frankfurt, Berlin und London. Im Seefahrerland England zählte diese Schau 130.000 Besucher. In Dresden wird die TIEFSEE im elbnahen Japanischen Palais in der Dresdener Neustadt präsentiert.

Prof. Dr. Michael Türkay, zur See fahrender Meeresforscher seit 35 Jahren und stellvertretender Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft, eröffnet die Ausstellung und stellt sich den Fragen. Prof. Türkay skizziert die Tiefsee als den Lebensraum, der tiefer als 200 m liegt und de facto auch von Technischen Tauchern kaum noch erreicht werden kann. In der Tiefsee sind alle Organismen nicht allein dem ungeheuren Wasserdruck ausgesetzt, es herrschen zudem ewige Dunkelheit und auf Grund der in den Polgebieten versinkenden Kaltwassermassen nur minus 1,9 bis plus 2 Grad Celsius Wassertemperatur. Begeistert berichtet Prof. Türkay, dass es auch heute noch vorkommt, dass ein aus der TIEFSEE nach oben geholter Greifer etwa 10 % bekannte und 90 % unbekannte Organismen enthält.
Im Treppenhaus der in magischem Schwarz gehaltenen Schau hängen lebensgroße Plastiken der großen TIEFSEE - Kontrahenten Pottwal und Riesenkalmar. Die Ausstellung beginnt mit den seefahrerischen Monstern und Mythen des Mittelalters. Bevor die ersten konkreten Tiefseeforschungen begannen, war die Wissenschaft auf Grund der extremen physikalischen Bedingungen in mehreren Tausend Metern Tiefe der Ansicht, die Tiefsee sei völlig lebensfeindlich und unbelebt (Abyssal-Theorie von E. Forbes). Dies ändert sich mit den ersten wissenschaftlichen Tiefsee-Untersuchungen. Berichte und Sammlerstücke der Britischen CHALLENGER-Expedition (1872-1876) und der Deutschen VALDIVIA - Expedition (1898-1899) zeigen anschaulich, wie die frühen TIEFSEE-Forscher zu ersten Erkenntnissen über den „Inner space“ kamen.
Ein Nachbau der Batysphäre von BEEBE und BARTON leitet über zur modernen Tiefseeforschung, die mit Sonden, Kameras, Greifern, Netzen, Tauchrobotern und U-Booten operiert. Besonderes Highlight: der Besucher kann sich in den Fahrstand des nachgebauten Forschungs-U-Bootes „Mariana 10914“ setzen und eine virtuelle Tauchfahrt unternehmen. Dazu flimmern echte Tiefsee-Sequenzen über jenen Bildschirm, der die Frontscheibe des U-Bootes darstellt.
Die Schau glänzt ebenso mit über 100 Jahre alten wie auch neuen Präparaten der Tiefsee - Forschung, mit historischen Büchern, einer beeindruckenden Darstellung der „Schwarze Raucher“ genannten heißen Tiefseequellen und einem kleinen Relax-Kino, im dem Meeresfilme und –musik laufen. Eindringlich werden das komplizierte Nahrungsnetz der Tiefsee, ihre Bodenschätze und ganz besonders ihre Rolle als größter Wärmespeicher der Erde dargestellt. Denn es ist überwiegend das Meer und damit wesentlich die Tiefsee, die die kosmische Wärmestrahlung langsam aufnimmt und langsam abgibt. Die thermische Trägheit der Tiefsee vergleichmässigt das Weltklima und verhindert noch heftigere Extreme, als wir Menschen schon kennen.
Die Meeresforschung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist traditionell in Frankfurt und Wilhelmshaven angesiedelt. Die TIEFSEE - Ausstellung wird jedoch nicht zufällig im meeresfernen Dresden gezeigt. Anlässlich der Eröffnung werden drei wesentliche Zusammenhänge deutlich:

1. Wissenschaftsgeschichte: Der Leipziger Zoologe Prof. Chun konnte vor nunmehr über 120 Jahren Kaiser Wilhelm II. und den Reichstag überzeugen, eine Tiefsee - Expedition für seinerzeit 300.000 Reichsmark auszurüsten. In gewisser Weise wollte man den Forschungsvorsprung der Engländer seit der CHALLENGER - Reise von 1872 aufholen. Diese erste deutsche Tiefsee - Expedition widerlegte die Ansicht von der leblosen Tiefsee und brachte reiches Probenmaterial nach Hause. Diese Proben wurden in Leipzig und Berlin über Jahre ausgewertet und beschrieben, ehe von 1901-1940 Publikationen in Form von 24 prachtvollen ledergebundenen Büchern mit zahlreichen Illustrationen erschienen.
Nachdem die 3. Hochschulreform der DDR ab 1967 die Leipziger Sammlung und Biologie de facto auflöste, wurden die Exponate der ersten deutschen Tiefsee - Expedition durch Prof. Obst gerettet und kamen ans Dresdner Museum für Tierkunde. Die Dresdener Museen für Tierkunde und für Mineralogie wiederum gelten als die ältesten naturkundlichen Sammlungen weltweit und sind als die „Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden“ mit der Gesellschaft verschmolzen.

2. Dresdener „Verwicklungen“ in die heutige Tiefseeforschung: Die Tiefsee - Forschungen der Senckenberg Gesellschaft fördern nicht allein Tiere, sondern auch geologisches Material zutage. Von besonderem Interesse sind dabei die Manganknollen, die außerdem Kobalt, Silber, Zinn und seltene Spurenelemente enthalten. Der Dresdener Senckenberg - Standort ist traditionell stark in Mineralogie und Geologie und arbeitet unter Leitung von Prof. Dr. Linnemann wissenschaftlich über die Genese der Manganknollen. Und das ist keine „ferne Theorie“, wenn man weiß, dass sich Deutschland die legale bergbauliche Ausbeutung zweier Manganknollenfelder etwa 1.000 km von Hawaii gesichert hat.

3. Politische Gründe: Die „Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden“ sind bisher Forschungsinstitut und Sammlung, sie besitzen kein eigenes Ausstellungsgebäude. Chemnitz, Leipzig, Görlitz und sogar das kleine Kamenz betreiben eigene Naturkundemuseen. Längst liegen Anträge bei der Staatsregierung, die auf die Notwendigkeit eines Naturkundemuseums für den Großraum Dresden verweisen, zumal in der Senckenberg Gesellschaft Forschung und Präsentation der Forschungsinhalte traditionell Hand in Hand gehen. Nachdrücklich verweisen die Wissenschaftler darauf, dass die Ergebnisse der Forschung nacherlebbar dargestellt werden müssen. Und: nach wie vor haben Museen, Zoos und Bücher großen Einfluss auf die Bildung von Kindern und Jugendlichen, auf die Ausbildung persönlicher Überzeugungen und Ziele. Wenn Sonderausstellungen wie die TIEFSEE am „geliehenen“ Standort Japanisches Palais viele Besucher anziehen, spricht dies Bände …

Die Dresdener Ausstellung: Die etwa 500 qm große Ausstellung läuft vom 5. 11. 2010 bis Mai 2011. Sie bietet zahlreiche Vorträge und Sonderveranstaltungen an und kostet für Erwachsene 6 Euro, für Kinder 3 Euro Eintritt.

 
Weitere Infos: http://tiefsee.senckenberg.de